Sludge auf der Arbeit

Mrz

Es ist erschreckend, wie sehr man bekannte oder – noch schlimmer – eigene Verhaltensmuster in Cali Resslers und Jody Thompsons Buch „Why work sucks and how to fix it“  wiederfindet. Besonders schön wird das am Begriff  Sludge deutlich. Sludge ist eine ziemlich unangenehme Brühe, die in Unternehmen tagtäglich gebraut wird. Sludge ist der Klärschlamm der Firmen, stinkend und schleimig. Sludge ist genau das:

Oh, schön dass du auch schon da bist

Sagt der Kollege zur Kollegin, die 20 Minuten später als er selbst im Büro erscheint. Eine beliebte Variation davon ist:

Deinen Job möchte ich auch gerne haben!

Beim Thema Urlaub:

Schon wieder im Urlaub gewesen? Hast du es gut. Ich habe schon seit drei Jahren keinen Urlaub mehr genommen

Oder auch:

Ich glaube, ich fange auch mit dem Rauchen an. Dann habe ich auch ständig Pausen.

Dabei muss Sludge nicht verbal daherkommen. Sludge ist auch, seinen Wagen für jeden gut sichtbar auf den Parkplatz gleich am Eingang abzustellen, um jedem nachkommenden Kollegen zu zeigen, wie früh man bereits mit der Arbeit begonnen hat, wie hart man arbeitet und wie sehr man sich für die Firma reinhängt.

Die Liste ließe sich beliebig fortführen, denn es gibt unendlich viele Sludge-Sprüche und -Verhaltensmuster. Was dabei geschieht sind zwei Dinge:

  1. Das Verhalten des Anderen wird (pseudo-nett verpackt) negativ beurteilt. Wieso hat der schon wieder Urlaub? Hat er das überhaupt verdient? Wieso glaubt der, er könne Kommen und Gehen wann immer er will? Wieso macht der alle paar Minuten Pause?
  2. Dabei beschwert man sich über die eigene missliche Lage. Ich nehme mir nie Urlaub! Ich verbringe jede freie Minuten in der Firma, und was bekomme ich dafür? Ich bin immer pünktlich, wieso wird der Andere befördert?

 

Why work sucks and how to fix it

Nach Ressler und Thompson ist Sludge „die Art von negativen Kommentar, der ganz natürlich in Arbeitsumgebungen auftritt und auf veralteten Sichtweisen zu Zeit und Arbeit basiert“. Interessanterweise erfüllt Sludge innerhalb der gültigen (aber nirgendwo niedergeschriebenen) Büroregeln eine sehr wichtige Funktion. Durch das Sludge-Urteil macht man klar, dass der Andere anders ist. Das er, so klein sein Vergehen auch gewesen sein mag, nicht nach den Spielregeln spielt. Man verurteilt den Anderen, um selbst in einem besseren Licht darzustehen; um zu zeigen, dass man selbst härter arbeitet und sich mehr für die Firma einsetzt. Und obwohl sich das alles auf einem veralteten Arbeits- und Zeitverständnis aus den Tagen der Industrialisierung begründet, wird mit jedem Sludge-Spruch genau dieses Verständnis wieder und wieder bestärkt. Es ist ein Teufelskreis.

 

Den erste Schritt zu einem besseren Arbeitsumfeld muss daher jeder erst einmal für sich selbst gehen, indem man aufhört, Sludge zu produzieren. Kein Blick mehr auf die Uhr, wenn ein Kollege etwas später ins Büro kommt. Was kümmert es mich, wann er kommt? Er macht gute Arbeit, nur das sollte zählen. Nur, wenn man den verkrusteten Denkweisen die Nahrung entzieht, besteht eine realistische Möglichkeit, wirklich etwas zu verändern.

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